Porno und Gangster-Rapper: Bloß kein Opfer sein?


Heute versammelten sich in der bayerischen Landeszentrale für neue Medien, die in letzter Zeit für anderweitige Schlagzeilen bekannter wird , als es gut tun kann, zahlreiche Professorinnen (naja waren hauptsächlich Männer, aber ich mag das kleine i) aus der Soziologie, der Psychologie und der Pädagogik um der KJM – Kommission für Jugendschutz beratend zur Seite zu stehen, ob man durch Gesetze, Reglementierungen oder Altersbeschränkungen die 8 jährigen davor bewahren könne ihre Lehrerinnen mit “Na, Du Motherfucker, heute schon so richtig….” anzusprechen und im Zuge dessen ihr noch nicht mal vorraussagbares Sexualleben für immer zu versauen….

Zum Glück hielten sich die Anwesenden nicht daran, der KJM mit regulierendem Stumpfsinn beiseite zu stehen, sondern bemühten sich um ein differenziertes Bild angesichts der jämmerlichen Lage, das 1/4 der rappenden Jugend lieber zu Schweinetexten und Körperflüssigkeiten reimt, anstatt ethisch korrekt zu dichten. Zum Auftakt durften wir uns ein gehexeltes Porno und Gangsta-Rap Menü a la carte zur Gemüte führen. Vom fünf Jahre alten Arschf*cksongüber diverse andere Körperöffnungen – kurz und knapp – reaktionär-aktiv aus dem Kontext gerissen mit einer Prise Amok und Winnenden Assoziationen gekürt an die Wand geworfen und den Zuschauer in den weit aufgerissenen Rachen geworfen.

Viel Neues gab es nicht. Das Podium war weitgehend im Konsens. Gut, Laszlo Pota, Vizepräsident des Berufsverbandes deutscher Psychologinnen hat uns mit alt 68 Erinnerungen und dem ewigen Steinewerfermythos (auch ich habe mit Joschka) mehr unterhalten, als aus dem Stuhl gehoben, aber immerhin mit dem Satz: “Auch Eltern brauchen Grenzen” ein freudstrahlendes Grinsen (wenn auch nur kurz) über unser Wangen gezaubert. Für viel Begeisterung sorgte auch Klaus Farin, Leiter des Archivs der Jugendkulturen, der nicht nur mit seinem T-Shirt “Commerzpunk- der Punk an deiner Seite” für Freude unter uns Metaerwachsenen sorgte, sondern auch seine sanfte Ansprache, dass Medien eh die schlechtesten Experten sind, da sich hier nur Halbwissen hinter Großbuchstaben verberge. Und natürlich das Plädoyer von Soziologin und Lehrstuhlinhaber der Gender-Studies an der LMU München Prof. Dr. Paula-Irena Villa auf die rheotrische Frage von Verena Weigand, Leiterin der Stabstelle KJM: “Das sie sich ein bißchen mehr Hilfe von ihren Experten erwartet hätte und nicht so viele Ausführungen.” – “das man ein differenziertes Thema ja schlecht einfach über den Kamm scheren kann und dann Patentlösungen anbiete, sondern dass sie sich alle bemühen ein vielschichtiges komplexes Bild zu zeichnen, das vielleicht in diesen Räumen [alles nur sinngemäß, aber wie recht sie hat, ahnt sie gar nicht] fehl am Platz ist.”

Besonders schön war zu beobachten, wie sich das Podium bemüht auch so ein bißchen pornografisch zu sein und sich nicht scheute die Worte “F*cken” und “F*tze” regelmäßig in den Mund zu nehmen. Ein besonderes engagiertes Auftreten wie ich finde, das vielleicht kompensiert, dass die “echten” Pornorapper nicht zu Wort kommen. (Angeblich weil sie so korrupt sind und dann vor laufender Kamera immer das sagen, was man hören möchte)

Was wir in dem Pornorap beobachten, ist allen voran die Hilflosigkeit damit umzugehen. Um mit meinem momenaten Lieblinspatriarchen Lacan zu sprechen, kann man die Pornorapper durchaus als das “Unbewusste” das “Unsagbare” in unserer Gesellschaft sehen. Und das es vielleicht gerade diejenigen sind, die keinen Zugang zu dieser durchregulierten, ökonomisierten Gesellschaft sind, die den Vulgär-Rap als willkommene Abwechslung sehen, die bürgerliche Gemeinde an den Eiern zu kitzeln und sich dadurch gleichzeitig selbst zu ermächtigen.

“Bloß kein Opfer sein” – spricht Paula-Irena Villa. Pornorap als Selbstermächtigungsstrategie, als selbstinzenierende Anforderung des aus allen Kanälen tönenden “Mensch, mach was aus Dir.” Als Antwort auf einen neoliberalen Fortschrittszwang, als Artikulation von existentiellen Ängsten, die durch die Sprache und Auftreten der Rapper einen saftigen Anstrich bekommen und sich stark und mächtig zu fühlen – zumindest in seiner Musik.

Aber ach
ich hätte mir nicht den fiesen Namen zugelegt, wenn ich nicht auch hier ein paar häßliche Gedanken zu Wort kommen lassen möchte:

  • 1. Warum hat
  • niemand der Anwesenden, des Publikums (geht diese Kritik etwa an mich?) es gewagt die Geschlechterrezeption im Pornorap zu diskutieren. [okai Entschuldigung ich weiß ja die Antwort – BLM] Dass es auch weibliche erfolgreiche Pornrapperinnen gibt, ist ja keine Geheimnis, dass die Mehrzahl aber immer noch männliche Maschinen sind, ist auch keins.

  • 2.Warum eigentlich dieser Konsens?
  • Ich meine, ja, schon Tocotronic versuchten, “Teil einer Jugendbewegung [zu] sein” (die vielleicht wirklich zu wenige Porno geguckt haben)und zur Jugend gehört die Abgrenzung, die Verweigerung, die Übersteigerung, die Sexuelle Selbstfindung oder Selbst-Aufgabe. Was aber, wenn dieser Konsens auch ein stückweit darauf beruht (zumindest auf männlich anwesender Seite), dass es die Jugend von heute und insbesondere die männliche besonders schwer hat, sich gegen die krass emanzipierten Frauen aufzulehnen (irre ich mich oder ist Männlichkeitsforschung der neue Hit?) und da man es im Alltag mit der Binarität “Du Weib” – “Ich Mann” einfach nicht mehr so richtig hinbekommt. Frauen im Durchschnitt erfolgreicher in der Schule und in der Universität sind, dann auch noch auf ihren täglichen Orgasmus bestehen und auf Männer eigentlich großteils verzichten können – ja wo bleibt denn da der Rückzugsraum für ausschweifende Orgien, Macht und Ohnmacht, Kontrolle und Wahnsinn?

    In der Pornografie – sind die gezeigten Frauen nach wie vor Objekt, Subjekt sind die Männer (wenn man einen Penis als Subjekt bezeichnen möchte)….hier wird noch durchexerziert, was in unserem Alltag und Denken keinen Platz mehr hat. (Ja ich weiß dass es auch Subgenres gibt, die das anders halten, aber der erfolgreiche Boom heißt Allmachtsphantasie Mann und Immerwollende Frau)

    Ich hatte so ein bißchen diesen Nachgeschmack, das man hier nicht nur ein Plädoyer für kreative Jugendkulturen ausgesprochen hat (wer die “Gegenseite” des Pornoraps füttert, findet sich in einer weitaus differenzierteren Jugendkultur wieder), sondern auch so ein bißchen diese Alt-Herrenmentalität versorgen konnte, dass man (n!) ja schon so ein bißchen Porno braucht. Wenn wir den Schmutzfink-Rap nochmals als unser Unbewußtes (oder die Leiche im Keller) bemühen, können wir argwöhnen, dass wir es auch hier um eine Selbst-Ermächtigungsstrategie geht, aber eine, die ein lineares Kräfteverhältnis bemüht, in der ein Mann noch ein Macker ist und Frauen “nein” sagen und “ja” meinen.