Catherine Breillats “Romance XXX” 1999. 10 Jahre später. Muß als Aufhänger reichen. Könnte jetzt auch behaupten, hab ihn mir nur aus Recherchezwecken angeschaut, finde ich genauso unglaubwürdig, wie wenn ich sage, schaue mir Pornos auch nur aus Recherchezwecken an…
Marie (Caroline Ducey) liebt Paul (Sagamore Stevénin), der von Beruf Schauspieler ist. Doch Paul liebt Marie nicht mehr. Zumindest körperlich. Als Grund wird uns eine Jäger und Sammeler Rhetorik angeboten. Paul ist ein Mackertyp. Einer von denen, die abends auf der Tanzfläche ihre Hüfte kreisen, diese Kreise aber im Bett verweigern. Warum?
Variante a) Paul verkörpert einen Typen der jagen muss, Marie ist aber schon erlegt
Variante b) Paul hat tatsächlich keine Lust auf Sex und stößt damit den Zuschauer so vor den Kopf, dass dieser sofort auf Variante a) zurückgreift.
Ich will zunächst über Marie schreiben und ihr Begehren. Sie nervt mich. Marie ist edel und schön. Eine dunkle Haarsträhne fällt ihr ins Gesicht. Sie ist das Schneewittchen untern den Huren. Dunkles Haar wie Ebenholz und eine schlichtes weißes Kostüm. Tränen lassen ihre Augen strahlen und sie ringt um Pauls körperliche Liebe, das es weh tut. “Haben” und “Sein” – schreibt Rüdiger Suchsland in seiner Kritik sind die Verben, die Marie als Grundschullehrerin, wie im Leben durchdekliniert.
“Haben” und “Sein”, sind die klassischen Positionen in Bezug auf den Phallus bei Lacan. “Phallus haben” und “Phallus sein” verortnet die beiden Geschlechter auf einer symbolischen Ebene der Unmöglichkeit. Die Beziehung der Geschlechter dreht sich genau (Marie und Paul machen das vor) um diese beiden Positionen. Sie sind genau das was Lacan meint, wenn er schreibt: “Es gibt keine sexuelle Beziehung”
Den Phallus “hat” dabei die männliche Position ( der Phallus ist ein Signifikant, er gehört nach Lacan der symbolischen Ordnung an, die die Ordnung der Sprache ist, er ist kein reales, noch ein phantasiertes Objekt, sondern eher ein Attribut, das Bedeutung erzeugt), der Phallus “ist” das Weib. “Phallus haben” und “Phallus sein” sind zwei Nicht-Positionen, der Phallus “Sein”, Marie zu sein, bedeutet der Signifikant des Begehren des Anderen, Paul zu sein. Die weibliche Position ist also dadurch begründet, dass Objekt des Begehren des Mannes zu sein und dieses Begehren zu reflektieren. Da das mit Paul nicht klappt geht Marie auf die Suche nach anderen Männer, denen sie ein begehrenswerter Körper und Spiegel der eigenen Subjektposition sein kann. Das klappt.
Hier kommen dann einige Sexszenen, die dem Film vorschnell ein pornografisches “Gütesiegel” verliehen haben, unter anderem weil Rocco Siffredi eine kopulierende Nebenrolle einnimmt und diese Szenen sich nicht scheuen Sexualorgane in Großaufnahmen zu zeigen. Sie dienen aber nicht unbedingt einer Erregbarkeit, die manuelle Tätigkeiten fördert, sondern lösen vielmehr eine unruhige Befremdung aus. Barbara Eder schreibt zurecht von Catherine Breillats kaltem Blick.
Ende dieser ausufernden sexuellen Selbst-Befreiuung ist ein unverhoffter schneller Sex mit Paul, der Marie als emanzipierte Frau zeigt, (“ich ficke Dich, wie ein Kerl eine Frau fickt”) eine Aussage, die Paul mit dem sofortigen Abbruch der sexuellen Handlung quittiert und bei Marie dennoch zu einer Schwangerschaft führt. Marie fällt zurück in ihre Rolle als treues Anhängsel, lässt sich nur noch von Paul fesseln (rein symbolisch natürlich) und schiebt einen dicken Bauch durch die Bars, in der Paul wieder seine -jetzt geölten Hüften – kreisen lässt und Marie ihn zum Dank einige Tage später samt Wohnung und Siamkatze in die Luft jagt.
Man kann sich diesen Film gut ansehen, nicht zuletzt aufgrund der Symbolkraft der Bilder. Die Wohnung von Paul und Marie ist in sterilem und zugleich unschuldigen weiß gehalten, die Verführung schwarz und rot inszeniert. Die Einstellungen sind lang und poetisch.
Ich muss dennoch keinen emazipativen Freudenstanz aufführen. Vielleicht check ich die subtile Ebene nicht. Sicher hier lässt sich willkürlich und zum Teil auch plausibel Paul als gebrochene Männlichkeit interpretieren, der so sehr in seiner Retro- Jägerhaltung aufgegangen ist, das kein Stück Penis mehr zum penetrieren übrig geblieben ist. Man könnte auch behaupten, dass Paul das subversivste Moment ist, da er sich in der Position Maries nicht spiegeln will, sie den ewigen Mangel nicht auszugleichen hat (das sie diesen Phallus nicht “hat”) und deswegen auch mit Clochards ins Treppenhaus gehen darf, um sich cunnilingieren zu lassen –
Ich sehe vor allem eine bildschöne stereotype Frau, die ohne heterosexuell begehrt zu werden zugrunde geht. Die den Mund nicht aufkriegt, außer für poetische Analogien, die total langweilig sind (“In der körperlichen Liebe stößt das Triviale mit dem Göttlichen zusammen”) und zudem erst ein Kind kriegen muss, um Eintritt in die Welt der Subjekte zu bekommen und zugleich damit für immer ent-sexualisiert wird.
Die Sexszenen sind explizit an Unterwürfigkeitsideale gebunden und reproduzieren unweigerlich den Teil eines Soziokulturellen Erbes, dass weibliche Sexualität nur innerhalb einer sexuellen Hierarchie zulässt. Die permanente Wiederholung des Bildes von Marie als sexuelle passive und unterworfene Frau auf der einen und der sexgierigen oder voyeuristischen Männer auf der anderen Seite, die Marie als Lösung ihrer “Beziehungskrise” mit Paul zur Seite gestellt bekommt, sprechen wenig von einem feministischen und alternativem Post-Porn Kino einer Catherine Breillat.