Ehrliche Haut: Körperbilder zwischen Beauty und Bulimie

“Gut” lobt Dr. Karin Lachenmaier ihre Patientin Korina (Name geändert), nachdem Sie die Vorstellungsrunde der Podiumsdiskussion zu “Body politics! Körper zwischen Beauty und Bulimie” hinter sich brachte. Gerade noch übertroffen von der Aussage des Quotentätowierers Michael Krumm, diese jedoch in einer Unschuld vorgetragen, dass man fast lachen darf (respektive Korina die sie für das Publikum zitierte) : “Für ne Essgestörte siehst Du aber echt top aus!”

Da sitzen Sie nun in der Pasinger Fabrik: die Leiterin und Dipl. Psychologin des Therapie Centrums für Essstörungen (TCE) München: sanft aber bestimmt, schulterlanges Haar, güldenes Pailettentop. Sie teilt sich das Podium der Pasinger Fabrik mit Steffi Müller, vorgestellt als kritische Modeaktivistin, (was auch stimmt, dennoch seltsam klingt), einer Therapeutin von ANAD e.V., die therapeutische Wohngruppen für Essgestörte Patienten anbietet, die gerne evolutionspsychologisch argumentierend sofort meine voll A-Sympathie genoß. Und der Tätowierer Michael Krumm, der seltsam verloren in dem Haufen wirkte.

Zwischendrin blassgesichtig und schmal Stephanie Gerlach, Dipl. Sozialpädagogin und wenn man ihr glauben darf noch vieles mehr. Man sagt sie moderiere.

Über die Machbarkeiten des heutigen Körpers wird kaum gesprochen, stattdessen zurren sich die Anwesenden (worunter auch ein Großteil des Publikums gehört) an den Ursachen und Gründen von Essstörungen fest. Da hat jeder was zu sagen, das bewegt, das geht unter die Haut und überhaupt: “Meine Tochter ist ja auch essgestört habe ich neulich in ihrem Tagebuch gelesen!” Zustimmendes Nicken auf der Bühne, manch ein Vater seuftzt verständnisvoll, keine Diskussion über Privatsphäre.

Gerade noch so rutscht man in die Kurve, knirschend und ungeölt, um die üblichen Erklärungsmustern zu bedienen: “Ja, die Magermodels und überhaupt die Werbung”, um dann in einem Tross an psychologischen Erklärungsmustern, Stress und Leistungsdruck am Symptom Essstörung hängen zu bleiben. So kreisen sie denn und kreisen. Unterbrochen von einem Mann in der hinteren Reihe, der bittet:” Können wir jetzt auch mal über Body Politics sprechen?”

Der Tätowierer gähnt. Eine der Anwesenden macht den Versuch diesen mit ihrem Wissen aus 20 jähriger psychatrischer Praxis aus der Reserve zu locken: “Tätowieren, ja, da gibt es ja Leute, die machen das bis zum Hals” und “Ist schon eine Art der Selbstverletzung?” Michael Krumm wiederholt wie ein Mantra, dass es bei einem Großteil der Leute um Dekoration geht und gibt dann auf.

Man streift im Senkflug die Problematik der Schönheitschirugie, um sich schnell einig zu werden: “Das sei ja schon sehr schlimm, dass die Leute (Frauen) sich jetzt zunehmend unters Messer legen.” Gefolgt von dem Nachsatz: “Und dann sieht es ja oft nicht mal schön aus!” Einzig Herr Krumm macht den Einwurf: ” Was habt ihr eigentlich für ein Problem mit Schönheitschirugie?” Darauf wird nicht mehr eingegangen, man ist schon wieder in einer Essstörung gefangen.

Die Diskussion neigt sich dem Ende und man übergibt einer eifrigen Dame im Publikum das Schlusswort. Die hat auch sogleich die passende Lösung parat: Schuld wäre die Emanzipation und diese ganzen Frauenbewegungen, man solle sich doch wieder zurücknehmen. Das wird dann auch mal so stehen gelassen, ist ja keine Zeit mehr zum weiterdiskutieren und irgendwie ist das auch ganz schön: Diese Weiblicheit – Dr. Lachenmaier schwärmt dann noch von der Vielseitigkeit der Weiblichkeit und das man das ja auch feiern darf und was weiß ich nicht alles müsse und ich musste dann auch: Ganz schnell weit weg.

Die Ausstellung hingegen ist wirklich sehr gut & sehenswert.

Wann? 16.00-20.00
wo? Pasinger Fabrik
Eintritt: 3 Euro (ermäßig zwei)
Die Ausstellung endet diesen Sonntag!