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Kein Luxus Judith Butler!

Kein Luxus, eine Frage des Überlebens:

Und immer wieder die Frage, wem dieses theoretische Gelaber nützen soll? Wer definiert, was relevant ist? Für die, die getötet werden, weil sie anders gehen ist es relevant und für die die sich deshalb selbst töten auch.
Butler mal langsam zum mitdenken, auch für die, die immer noch glauben sich dauerhaft in intelligiblen Positionen eingerichtet zu haben:

„Ich würde sagen, dass es nicht eine Frage ist, eine neue Zukunft für Geschlechter herzustellen, die es noch nicht gibt. Die Geschlechter, die ich im Sinn habe, gibt es schon lange Zeit, aber sie wurden in den Begriffen, die die Realität bestimmen, nicht zugelassen. So ist es eine Frage, innerhalb des Gesetzes, innerhalb der Psychiatrie, innerhalb der sozialen und literarischen Theorie, ein neues, die Komplexität der Geschleter, die wir schon immer gelebt haben, begründendes Lexikon zu entwickeln. Weil die Normen, die die Wirklichkeit regieren, jene nicht als reale zugelassen haben, nennen wir sie notwendigerweise neue Geschlechter. Aber ich hoffe wenigsten, dass wir wissend lachen werden, wenn und falls wir dies tun. Wenn jemand meint, dass eine solche Theorie reiner Luxus ist, dann sollte er bedenken, dass der notwendige Hintergrund des Unbehagens der Geschlechter / der Geschlechterverwirrung eine Frage des Überlebens ist. Es geht um die Frage, wie einen Welt zu schaffen ist, in der diejenigen, die ihr Geschlecht und ihr Begehren als von der Norm abweichend verstehen, ohne die Bedrohung durch Gewalt von außen leben und sich erfolgreich entwickeln können. Und dies, ohne das andauernde Gefühl ihrer Unwirklichkeit zu haben, das zu Selbstmord führen kann und geführt hat, sowohl einem selbstmörderischen Leben als auch Selbstmord in einem ganz wörtlichen Sinne. Zuletzt würde ich fragen, welchen Platz das Denken des Möglichen innerhalb der politischen Theorie hat. Man kann einwenden: ‚Ah, aber du versuchst nur, die Geschlechterkomplexität möglich zu machen, doch das sagt uns nicht, welche Formen gut oder schlecht sind – es liefert nicht das Maß, die Norm.’ Und das stimmt. Es liefert nicht das Maß. Aber es gibt hier einen normativen Anspruch, und er hat zu tun mit der Fähigkeit, zu leben, zu atmen, und sich zu bewegen, und das würde ohne Zweifel zu einer Philosophie der Freiheit gehören. Der Gedanke eines möglichen Lebens ist nur für diejenigen Luxus, die sich selbst schon als möglich wissen. Für diejenigen, die immer noch auf diese Möglichkeit warten, ist diese Möglichkeit eine Notwendigkeit.“
[Zitiert nach Hannelore Bublitz: Judith Butler zur Einführung]

Judith Butler über Barack Obama

Nicht überschwänglich werden, meint auch Judith über Barack. Er ist kein Messias und feministische messianische Hoffnungen sind sowieso gruslig, finde ich. Da ist es doch eher beruhigend zu sehen, welche Öffentlichkeitsarbeit sein Redenschreiber betreibt.

In dem Text Uncritical Exuberance? schreibt sie wie der Wunsch nach Erlösung von der Bush-Regierung messianische Hoffnungen auf Barack Obama projiziert, die dieser nicht wird erfüllen können. Das Risiko, so Butler, dass der maßlose und kritiklose Überschwang über den Wahlsieg Obamas bald in eine ebenso maßlose Enttäuschung umschlagen könnte ist groß und sie fragt, welches Maß an Ernüchterung nötig ist, um eine kritische Politik wieder zu erfinden.

„Obamas Wahl heißt, dass das Terrain von Debatte und Kampf verschoben wurde, und es ist freilich ein besseres Terrain. Aber es ist nicht das Ende des Kampfes, und wir würden sehr dumm sein, es als solches zu betrachten, und sei es nur vorübergehend.“

Uncritical Exuberance? by Judith Butler

Kritikloser Überschwang? Obama als “Erlösung”
von Gerald Raunig ins Deutsche übersetzt. Danke.

Sehen und gesehen werden

Im Gegensatz zu dem Gemeinplatz, daß die Pornographie den anderen (die Person, die auf dem Bildschirm gezeigt wird) zum Objekt unserer voyeuristischen Lust degradiert, müssen wir betonen, daß es eigentlich der Zuschauer ist, der die Position des Objekts einnimmt: die wirklichen Subjekte sind die Schauspieler auf der Leinwand, die versuchen, uns sexuell zu reizen, während wir, die Zuschauer, auf paralysierte Objekt-Blicke reduziert sind.
(Zizek, Slavoj: Was sie schon immer über Lacan wissen wollten und Hitchcock nie zu fragen wagten)

Bye Bye Bhaba

Die postkoloniale Perspektive zwingt uns, die tiefgreifenden Beschränkungen eines auf Konsens und Komplizenschaft beruhenden “liberalen” Begriffs von kultureller Gemeinschaft neu zu überdenken. Sie insitiert darauf, daß kulturelle und politische Identitäten durch einen Prozeß der Alterität hindurch konstruiert werden. Ethnische Fragen und Fragen der kulturellen Differenz überlagen Probleme der Sexualität und des Geschlechts und überdeterminieren die sozialen Bündnisse bei denen es um Klasse und demokratischen Sozialismus geht. Die Zeit für eine “Assimilation” von Minoritäten an holistische und organische Vorstellungen von kulturellen Werten ist endgültig vorbei. Bereits die Sprache der kulturellen Gemeinschaft muß von der postkolonialen Perspektive aus in einer Weise neu überdacht werden, die den tiefgehenden Wandel in der Sprache der Sexualität, des Selbst und der kulturellen Gemeinschaft gleicht, der seinerzeit von den Feministinnen der siebziger Jahre und der Schwulen-Community der achtziger Jahre bewirkt worden ist.
[Bhaba, Homi K.: Die Verortung der Kultur]